Dienstag, 8. November 2011

2083 + 1518 = 0

"Mit dem Anschlag vom 22. Juli 2011 auf der Insel Utøya ging ein Schock durch das vergleichsweise liberale Norwegen. Wurde zunächst über einen islamistischen Anschlag gemutmaßt, lenkte ein Polizeisprecher den Blick auf den christlich-fundamentalistischen Hintergrund des Attentäters. Anders Behring Breivik ein christlicher Fundamentalist? Vor allem kirchennahe ExpertInnen bemühten sich zügig eines von vornherein klarzustellen: Breivik habe keinen christlich-fundamentalistischen Hintergrund. Das Christentum, als die Religion der Nächsten- und Feindesliebe, dürfe dafür nicht mitverantwortlich gemacht werden. Das 1518 Seiten starke Manifest Breiviks spricht eine andere Sprache.

Da die Mehrzahl der deutschen KommentatorInnen generell davor zurückschreckt Religion mit Gewalt in Beziehung zu setzen, verwundert es nicht, dass bei der Frage nach den Motiven des Täters der religiöse Hintergrund nicht zur Sprache kommt. Der Grund ist möglicherweise der, dass die Kirchen durch die Missbrauchsfälle stark in Bedrängnis geraten sind und man somit eine neue kirchenkritische Berichterstattung vermeiden will. Die Presse konzentrierte sich deshalb in erster Linie auf die geistigen Paten des Attentäters: den norwegischen Blogger Fjordman und den US-amerikanischen Unabomber Ted Kaczynski. Zwar haben beide einen enormen Einfluss auf Breivik, dennoch kann diese Tatsache nicht darüber hinweg täuschen, dass sein Manifest von dem Grundgedanken getragen wird, dass sich das christliche Europa für den Endkampf rüsten muss. Obwohl dies offensichtlich ist, folgt das Gros der JournalistInnen einer Argumentationskette, die leicht zu widerlegen ist. [...]"

Dies ist ein weiterer Beitrag zum Schwerpunkt 'Papstbesuch' in der aktuellen Ausgabe (3/2011) des politischen Magazins MIZ (Materialien und Informationen zur Zeit). Sie wollen mehr wissen? Dann folgen Sie diesem Link

Papa don't preach

"Es ist schon ein seltsames Schauspiel, welches sich in den letzten Wochen in Deutschland darbot. Die Parlamentarier/innen, Kirchenvertreter und Kommentator/innen predigten unisono wie sehr 'wir vom christlichen Glauben geprägt sind – in Deutschland, aber auch in Europa insgesamt.' So wie Angela Merkel begrüßten zahlreiche Politiker/innen den Besuch Ratzingers. In Kommentaren zur Rede im Bundestag überschlugen sie sich. Andrea Nahles, SPD-Generalsekretärin, glaubte eine 'kluge und gute Rede' gehört zu haben, die 'in eine tiefere Region des Denkens' geführt habe. Jakob Augstein tönte gar auf SPIEGEL online: 'Wir Abendländer entstammen alle ihrem Schoß. [...] Die Kirche verdient Respekt.'

Man könnte meinen, Gott höchstpersönlich sei auf die Erde zurückgekehrt, so sehr ergoss sich das politische Establishment in Lob und Gehorsam gegenüber einem der letzten Diktatoren Europas. Gerade im Hinblick auf das 20. Jahrhundert muss an Folgendes erinnert werden: Die Demokratie ist eine Errungenschaft der Aufklärung und wurde gegen den erbitterten Widerstand der Kirchen erkämpft. Es ist ein Ausdruck der Verachtung der Demokratie, wenn ihre Volksvertreter/innen einen christlichen Religionsführer im Parlament sprechen lassen. [...]"

Dies ist der Anfang des Editorials zum Schwerpunkt 'Papstbesuch' in der aktuellen Ausgabe (3/2011) des politischen Magazins MIZ (Materialien und Informationen zur Zeit). Sie wollen mehr wissen? Dann folgen Sie diesem Link